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Wie wird ein Harnstoff­zyklus­defekt diagnostiziert?

Um Defekte im Harnstoffzyklus (engl. UCD, urea cycle disorders) festzustellen, werden Blut und Urin im Labor analysiert. Dabei sucht das Fachpersonal nach zu hohen Ammoniakwerten und abnormen Metaboliten (Zwischenprodukte, die vom Körper im Rahmen des krankhaft gestörten Eiweißstoffwechsels gebildet werden).

Zur Bestätigung der Diagnose, also um sicherzustellen, dass die Symptome einer Person wirklich auf einen Harnstoffzyklusdefekt zurückzuführen sind, kann eine Gewebeprobe (Biopsie) aus der Leber entnommen werden. Diese wird dann auf eine zu geringe Aktivität von im Harnstoffzyklus relevanten Enzymen hin untersucht.

Eine Alternative bietet ein Gentest. Da ein Harnstoffzyklusdefekt eine genetische Erkrankung ist, lässt sich so klären, ob mit einer der Erbanlagen (Gene), deren Produkte den Abbau von Proteinen im Harnstoffzyklus unterstützen, etwas nicht stimmt. Durch die Identifizierung eines solchen Gens kann die Ärztin oder der Arzt beurteilen, ob Betroffene einen bestimmten Harnstoffzyklusdefekt aufweisen.

Es kann ebenfalls sinnvoll sein, bildgebende Untersuchungsverfahren wie die MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie) einzusetzen. Mit deren Hilfe lässt sich beispielsweise ermitteln, ob eine Hirnschwellung vorliegt, die durch zu viel Ammoniak im Blut verursacht sein könnte.

Was sind häufige Symptome?

Die Ammoniakwerte entwickeln sich bei jeder Person, die mit einem Harnstoffzyklusdefekt lebt, unterschiedlich. Erhöhte Ammoniakwerte im Blut können eine Vielzahl unterschiedlicher Beschwerden auslösen. Diese sind allerdings oft sehr unspezifisch und können auch altersabhängig variieren. Selbst wenn die Ammoniakwerte nur geringfügig ansteigen, ist es möglich, dass sich Betroffene schlecht fühlen und unter Symptomen leiden.

Krankhaft erhöhte Ammoniakwerte im Blut (Hyperammonämie) können sehr gefährlich werden. Daher sollten Betroffene und ihre Angehörigen wissen, welche möglichen Warnsignale es gibt und was zu tun ist, wenn diese auftreten.

Zu den möglichen Beschwerden infolge eines Harnstoffzyklusdefekts zählen beispielsweise

  • starkes Müdigkeitsgefühl
  • Schwierigkeiten, klar zu denken
  • Gleichgewichtsstörungen, Schwindelgefühl
  • Kopfschmerzen
  • zitternde Hände
  • Körperteile bewegen sich oder zucken, ohne dass man es will
  • Probleme beim Sprechen
  • fehlendes Hungergefühl oder Abneigung gegenüber eiweißreicher Nahrung (wie
  • Fleisch, Eier und Milchprodukte)
  • Bauchschmerzen
  • Übelkeit oder Erbrechen
  • Gefühl von starker Wut oder Ärger

Kritische Symptome bei Hyperammonämie können den oben beschriebenen ähneln, aber auch in schwererer Form auftreten und Anfälle sowie das Sehen oder Hören gar nicht vorhandener Dinge umfassen. Auf jeden Fall sollte man mögliche Beschwerden im Blick behalten, damit eventuelle Veränderungen frühzeitig bemerkt und wenn nötig zügig behandelt werden können. Hat man den Eindruck, dass eine Hyperammonämie vorliegt, gilt: Sofort mit einer Ärztin oder einem Arzt sprechen oder ein Krankenhaus aufsuchen!

Beschwerden in unterschiedlichen Lebensphasen

Hyperammonämien können in jedem Lebensalter auftreten, auch erstmalig. Sie sollten stets als Notfälle behandelt werden, weil Ammoniak in hohen Konzentrationen die Nervenzellen, insbesondere im Gehirn, schädigen kann. Das Beschwerdebild bei einer Hyperammonämie unterscheidet sich abhängig vom Alter der Betroffenen:

Säuglinge

Ein Säugling mit einem Harnstoffzyklusdefekt kann bereits in der ersten Woche nach der Geburt schwer erkranken, da er dann nicht mehr über die Plazenta der Mutter ernährt wird.
Auch wenn das Baby abgestillt wird und normale Nahrung zu sich nimmt, kann die aufgenommene Eiweißmenge die Abbau-Kapazität des Harnstoffzyklus übersteigen. Ist dies der Fall, besteht die Möglichkeit, dass kritische Beschwerden wie schnelle Atmung, Erbrechen und Schläfrigkeit auftreten. Infolgedessen kann ein Klinikaufenthalt erforderlich werden, um die Ammoniakwerte im Blut zu senken und die Atmung des Babys zu unterstützen.

Kinder

Ein Kind kann ebenfalls schwer an einem Harnstoffzyklusdefekt erkranken – selbst wenn es zuvor noch nie UCD-bedingte gesundheitlichen Probleme hatte. Es ist möglich, dass eine Infektion, zum Beispiel eine Erkältung, entsprechende Symptome auslöst. Ebenso kann eine proteinreiche Ernährung zu Beschwerden führen, etwa nachdem auf einer Feier, im Urlaub oder auf einer Reise mehr Proteine verzehrt wurden als sonst üblich.

Teenager

Teenager mit Harnstoffzyklusdefekten können unter chronisch auftretenden Schüben von Erbrechen und Schläfrigkeit leiden. Möglicherweise ist dann eine stationäre Behandlung erforderlich, bei der zusätzliche Flüssigkeit verabreicht wird – häufig über eine Infusion. Kommt es mehr als einmal zu einer derartigen Klinikeinweisung, erweckt dies üblicherweise den Verdacht behandelnder Ärztinnen oder Ärzte, sodass auf das Vorhandensein eines möglichen Harnstoffzyklusdefekts hin untersucht wird.

Die Ammoniakwerte erklärt

Schwankende Ammoniakwerte können Symptome verursachen, die den Alltag beeinträchtigen und in eine Hyperammonämie münden. Schon ein geringer Anstieg der Werte im Körper kann zum Beispiel Unwohlsein auslösen.

Kritische Konzentrationen

Überschreiten die Ammoniakwerte im Blut bestimmte, abhängig vom Lebensalter variierende Grenzwerte, sind weitere Maßnahmen (rasche ärztliche Abklärung und/oder Therapie) nötig. Die nachfolgenden Ammoniakkonzentrationen kennzeichnen eine Hyperammonämie:

  • im Neugeborenenalter über 150 μmol/l (255 μg/dl)*
  • ab dem Säuglingsalter über 100 μmol/l (170 μg/dl)*
  • bei Kindern und Erwachsenen über 50 μmol/l (85 μg/dl)*

(*Labore geben die Werte üblicherweise in einer von zwei unterschiedlichen Messeinheiten an, entweder in Mikromol pro Liter (μmol/l) oder in Mikrogramm pro Deziliter (μg/dl).)

Zur Info: Die Ammoniakwerte werden im Blutplasma, einer Flüssigkeit, aus der das Blut zu etwa über die Hälfte besteht, bestimmt.

Weitere Infos zu Hyperammonämien finden Sie hier.

*Labore geben die Werte üblicherweise in einer von zwei unterschiedlichen Messeinheiten an, entweder in Mikromol pro Liter (μmol/l) oder in Mikrogramm pro Deziliter (μg/dl).

Ammoniak-Anstieg durch Belastungen im Alltag

Einige Lebensumstände sind in der Lage, die Ammoniakwerte negativ zu beeinflussen. Personen mit Harnstoffzyklusdefekten und ihre Angehörigen sollten diese kennen, damit sie vorbeugende Maßnahmen ergreifen können.

Infektionen
Jede Art von Infektion (wie beispielsweise Erkältung, Grippe (Influenza), Coronavirusinfektion) kann sich negativ auf die Ammoniakwerte auswirken. Tipps: Das Infektionsrisiko lässt sich durch häufiges, gründliches Händewaschen mit Wasser und Seife und/oder die Verwendung von Handdesinfektionsmitteln auf Alkoholbasis verringern. Der Kontakt mit möglicherweise Erkrankten sollte vermieden werden. 

Stress
Besondere Lebensereignisse (wie Operationen, Unfälle, schulischer Druck oder Schwangerschaft) können die Ammoniakwerte ebenfalls erhöhen. Sind Menschen mit einem Harnstoffzyklusdefekt in einer belastenden Situation, ist es daher wichtig, dass sie oder ihre Angehörigen mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt über mögliche Auswirkungen auf ihre Ammoniakwerte und potenzielle Lösungsansätze sprechen.

Proteine
Der Verzehr von zu viel Eiweiß führt zu einem Anstieg der Ammoniakwerte im Blut. Daher sollten UCD-Patientinnen und -Patienten sich an eine proteinarme Ernährung halten, sofern ihnen diese empfohlen wurde. Bereitet die Umsetzung Probleme, sollten sie sich in der Arztpraxis beraten lassen.

Sportliche
Aktivität & Fasten 
Auch durch zu viel Sport oder durchs Fasten können die Ammoniakwerte gefährlich ansteigen. Daher ist es wichtig, sich nicht zu überfordern. Bevor Menschen mit einem Harnstoffzyklusdefekt fasten oder mit einer neuen intensiven körperlichen Aktivität beginnen, gilt daher: erstmal ärztlichen Rat einholen!